Auf Grund beruflicher und familiärer Umstände in unserem Freundeskreis wird es mit unserer traditionellen Septembertour in den Alpen zusehends schwieriger. In diesem Jahr haben sich gerade einmal Lothar und Jörg für unseren Tourenvorschlag erwärmen können, der eine Wochentour mit Klettersteigeinlagen in der Fanes und der Tofana vorsieht. Beide gehören zur Stammbesetzung unserer Septembertouren, seitdem sich diese Truppe 1994 im Karwendel auf einer Tour von Gottfried Eisner zusammengefunden hatte. Auch die Anreise gestaltet sich schwierig, wie man im Weiteren noch erfahren wird. Kerstin und ich kommen von unserem 2- wöchigen Sommerurlaub in den Schweizer Alpen bei Saas Fee und Zermatt (siehe unseren Schweiz-Urlaubsbericht) und haben in den letzten 2 Tagen die Alpen mit dem Auto von West nach Ost traversiert. Nun sind wir in der Fanes angekommen und erwarten unsere altgedienten Kämpen zur Tour.
Schon gestern sind Kerstin und ich in Vigil angekommen und haben auf dem sehr gut ausgestatteten Campingplatz im Zelt übernachtet. Abends wollten wir eigentlich nur pro forma noch einmal unsere Freunde in Chemnitz anrufen, da wir ja schon 2 Wochen unterwegs sind. Am Telefon müssen wir erfahren, dass Jörg - unser "Seniorchef" - mit Hexenschuss darniederliegt. Schnelle Bewegungen sind ihm momentan überhaupt nicht möglich und er hat sich am Freitag erst vom Arzt Spritzen geben lassen. 'Tolle Aussichten' denken wir und sehen schon unsere gemeinsame Wochentour platzen. Aber Jörg ist ein zäher Hund. Er will das Wochenende seine 'Hexe' beobachten und dann nach Möglichkeit mit Lothar am Montag nachkommen. Bernie & Babett hatten wegen Mandel-OP an ihrem Jüngsten schon vorher abgesagt. Somit sind wir zunächst also unverhofft nur zu zweit.
Früh haben wir nach schwerem Regen in der Nacht nun Sonne auf unserem Campingplatz in Vigil und können in Ruhe Zelt trocknen und unseren Wochenrucksack packen. Um 12:00 Uhr sind wir mit dem Auto an der Pederü-Hütte (1548m) und um 13:00 Uhr steigen wir zur Fanes-Hütte (2060m) auf. Der Weg steigt erst 250 Hm steil an und verläuft dann schön und abwechslungsreich zwischen den Felswänden des Tales zur Fanes-Hütte hinauf. Nach 2 1/4h und 560 Hm sind wir an der luxuriös ausgestatteten Privat-Hütte. Große Lager, warme Duschen, gutes Essen mit Tiramisu als Nachtisch, eine Terasse mit warmer Sonne - was will man mehr. Den Nachmittag verbringen wir mit Faulenzen. Die reservierten Quartiere für Jörg und Lothar haben wir bis Montag erst mal abbestellt.
Höhenmeter : 560 Hm im Auf- und 45 Hm im Abstieg
Gehzeit : ca. 2:15 h
Die Wetterprognose für heute war eigentlich ganz gut und so haben wir uns die Conturines-Spitze vorgenommen. Gegen morgen hat es noch mal stark gewittert und sieht gegen 9:00 Uhr so aus, als würde es in der nächsten Stunde aufreißen. Wir brechen auf dem Weg Nr. 12 auf - ich zu Beginn noch kurzärmelig. Dann kommt in der Wolke ein kalter Wind auf und es beginnt doch wieder zu tröpfeln. Wir kommen ein ganzes Stück Wegs und ca. 390 Hm voran (bis auf Höhe des Sees Le Parom). Unterwegs blitzt und donnert es sporadisch und der Niederschlag wird stärker, geht erst in Hagel und dann in Nassschnee über. Die gute Wetterprognose war also für die Katz und auf 2300m geben wir die Tour für heute verloren und kehren im Regen und Schnee zur Hütte um. Nach 4h Gehzeit sind wir wieder an der Hütte. Es regnet immer noch, aber eine Stunde später scheint draußen die Sonne und es reißt wirklich auf - was keiner mehr vorhersehen konnte (man soll halt doch früh erst mal ausschlafen). Der Rest des Sonntags ist ganz schön, oben auf den umgebenden Felsen hat es sichtbar geschneit. Gegen Nachmittag steigen wir noch mal die 100 Hm zum Le de Limo auf und fotografieren ein wenig. Dann Kaffeetrinken und gegen 17:00 Uhr stehen plötzlich Lothar & Jörg am Tresen der Hütte. Sie sind also doch schon heute nachgekommen und nun müssen wir mal Pläne machen, wie wir die ursprünglich geplante Tour umbauen. Die Hüttenchefin "zaubert" ebenfalls und findet trotz abgemeldeter Lager und einer rappelvollen Hütte noch zwei Übernachtungsplätze für unsere Freunde.
Höhenmeter : 490 Hm im Auf- und Abstieg
Gehzeit : ca. 5:00 h
Früh ist das Wetter heute ganz gut und so planen wir für uns und unseren Hexenschuss-Rekonvaleszenten eine einfache Tour auf den Heiligkreuzkofel (2907m). Der Hinweg führt uns entlang des Wegs Nr. 7 über eine relativ reizarme Karsthochfläche. Der Weg zieht sich ziemlich, aber nach 4h sind wir am Gipfel des Heiligkreuzkofels. Von hier oben haben wir einen schönen Blick ins Tal und in die Richtung der Sextener Dolomiten. Nach Westen zu ist es immer noch wolkenverhangen. Für den Rückweg wählen wir den Weg Nr. 12, für den wir nochmals 4h Gehzeit benötigen.
Höhenmeter : 1100 Hm im Auf- und Abstieg
Gehzeit : ca. 8:10 h
Da die Fanes-Hütte für die kommende Übernachtung keine freien Plätze für uns hat, entschließen wir uns heute zum Umsetzen auf die nächste Hütte in der Tofana. Die Wahl fällt auf die Giussani-Hütte (2580m), die zwischen den beiden mächtigen 3000- er Felsentürmen der Tofana di Rozes und Tofana di Mezzo in einem Sattel liegt. Zudem ist die Giussani-Hütte die einzige CAI-Hütte weit und breit. Da die Tour recht lang ist, starten wir bereits um 8:30 Uhr an der Fanes-Hütte. Über den Lago de Limo (2159m) und die Großfanesalm kommen wir in das Tal südlich der Conturines-Spitze, ein landschaftlich sehr schönes Tal. Wir folgen dabei dem Dolomiten-Höhenweg Nr. 1. Zunächst gewinnen wir die Forcla Di Lech (2486m). Der Abstieg in einer steilen Schuttrinne gestaltet sich ein bisschen diffizil und wir werden Augenzeuge, wie ein älterer Bergwanderer im steilen Schutt stürzt, sich zweimal überrollt und sich dabei auch noch einen Zahn ausschlägt. Er wird von seinen Begleitern versorgt und zu Tal geleitet. Vom See Le de Lagacio geht es dann wieder beharrlich aufwärts zur Forcla Lagazuoi (2573m) mit folgendem Übergang zur Forcla Travenanzes (2507m), die das Travenanzes-Tal gegen den Falzarego-Pass abschliesst. Hier ändert sich die Szenerie und die gewaltige Tofana di Rozes kommt ins Blickfeld. Wir umrunden den Gebirgsstock der Tofana di Rozes im Süden auf annähernd gleichbleibender Höhe und haben nun noch den letzten Aufstieg zum Rifugio Giussani (2580m) zu bewältigen. Zum Glück haben wir auf dem ganzen Weg schönes, wenn auch sehr kaltes Wetter. Die Gewitter zum Anfang der Woche haben einen Wetterumschwung eingeläutet und in anderen Teilen der Alpen hat es bereits richtig geschneit. Das recht kalte aber zum Glück trockene Wetter wird uns nun die gesamte Woche begleiten.
Das Dolomiten-Panorama ist großartig. Unterwegs beobachten wir Murmeltiere und 2 Gemsen aus nächster Nähe. Nach 8 1/2 h Gehzeit und insgesamt 1300 Hm im Auf- und 780 Hm im Abstieg kommen wir hinreichend geschafft auf dem Rifugio Giussani an. Es ist eine sehr schön gelegene und auch ganz gemütliche CAI-Hütte im Sattel zwischen der Tofana di Rozes und der Tofana di Mezzo. Im I. Weltkrieg muss diese Lage allerdings von enormer strategischer Bedeutung gewesen sein, denn der gesamte Sattel ist auch heute noch von Schützengräben durchzogen, die in das Dolomitgestein gehauen sind. Fast 100 Jahre alter Stacheldraht liegt in Haufen herum. Besonders irre ist, dass man hausgroße Felsenblöcke von innen ausgehöhlt hat, um im Krieg Unterstände zu bauen. In der Hütte bekommen wir ein geräumiges 4-Bett-Zimmer mit schönen Betten und ein gutes Abendessen. Schauen wir mal, ob wir morgen den Klettersteig an der Tofana di Rozes begehen können. Der heutige Tag war dank der großen Rucksäcke mit der Klettersteigausrüstung hinreichend anstrengend und die Oberschenkel-Steigmuskulatur meldet sich zu Wort. Der morgige Weg ist demgegenüber zwar entfernungsmäßig kurz, dafür aber technisch anspruchsvoller.
Höhenmeter : 1300 Hm im Auf- und 780 Hm im Abstieg
Gehzeit : ca. 8:30 h
Wir haben uns für heute den Klettersteig auf die Tofana di Rozes (3225m) vorgenommen. Wir starten wie üblich gegen 8:30-9:00 Uhr von der Giussani-Hütte und steigen zunächst vom Rifugio über den Fahrweg wieder auf den Rundweg rund um den Berg ab. Kurz unterhalb der Hütte begegnet uns ein Gemsen-Rudel mit über 30 Tieren und auch Jungtieren. Die Tiere bewegen sich zwar abwärts vor uns her, aber sie sind vergleichsweise wenig scheu und von Flucht kann keine Rede sein, so dass uns viel Zeit und Gelegenheit zum Fotografieren bleibt. Nach einigem Weg an der Basis des Felsens kommen wir zur sogenannten Galerie - einer im I. Weltkrieg in den Felsen gehauenen Kanonenstellung, die den Falzaregopaß bestrich. Ca. 800m geht es mit Stirnlampe innerhalb des Felsens an Drahtseilen durch einen Stollen aufwärts (Galeria del Castelleto), wobei durchaus auch Höhenmeter gemacht werden. Es bleibt ein Geheimnis der Vermessungsingenieure von damals, wie sie genau an der beabsichtigten Stelle wieder aus dem Felseninneren ins Freie gekommen sind.
Nachdem wir aus der Galerie herausgekommen sind wechseln sich mit Schutt bedeckte Bänder, waagerechte Traversier-Passagen im Fels und dann wieder fast senkrechte Abschnitte im Fels mit Höhengewinn ab. Der Fels ist schön gestuft und reich an Griffen und Tritten, so dass der Klettersteig bis auf 2-3 Ausnahmen im Bereich unseres Kletterkönnens liegt und eigentlich nie das Gefühl aufkommt, dass wir vom Kletterkönnen her überfordert wären. Trotzdem sind mir als Vorausgehendem an 4-5 Stellen die vertikalen Sicherungsabstände zwischen den Haken an den senkrecht gespannten Drahtseilen zu groß und ich lege zusätzliche Bandschlingen. Typisch sächsisch bewegen wir uns recht sicher aber vielleicht auch ein wenig langsam im Fels aufwärts. Irgendwann nach 5h im Klettersteig wünschen wir uns den seitlichen Ausstiegsweg aus dem Klettersteig auf 2694m herbei. Unterwegs begegnen uns auch zwei Stellen mit Wasserfällen mit vereisten und z.T. spiegelglatten Felsen, über die wir nur an den Drahtseilen hangelnd traversieren können. Nach 6 1/4h im Klettersteig sind wir gegen 16:15 Uhr auf der Tre Dita (einer markanten Dreier-Felsengruppe, die den seitlichen Ausstieg aus dem Klettersteig markiert) und sind froh, den Klettersteig (zumindest in seinem unteren Teil) gut bewältigt zu haben. Der Gipfel der Tofana di Rozes ist wegen der fortgeschrittenen Tageszeit außerhalb des heute erreichbaren. Nach ca. einer weiteren 3/4 h sind wir wieder an der Giussani-Hütte (einfacher Schotterweg). Wir haben für den Weg von 580 Hm insgesamt 9h benötigt. Auch wenn wir den Gipfel der Tofana di Rozes nicht erreicht haben, hat uns der Klettersteig doch großen Spaß gemacht und wir sind ein wenig stolz auf unsere Leistung. Insbesondere von Kerstin war es eine tolle Kletterleistung, da an den Schlüsselstellen schon II. oder vielleicht unterer III. Schwierigkeitsgrad zu klettern war (natürlich mit dem Drahtseil daneben) und Kerstin ja nicht allzu groß gewachsen ist.
Höhenmeter : 580 Hm im Auf- und Abstieg
Gehzeit : ca. 9:00 h
Nach unserer Klettersteig-Einlage an der Tofana di Rozes steht für heute der Übergang vom Rifugio Giussani zurück zur Fanes-Alm-Hütte an. Wir nehmen dieses Mal den kürzeren und landschaftlich sehr schönen Weg über das Val de Travenanzes. Direkt von der Hütte steigt der Weg steil im morgendlichen Schatten der Tofana di Mezzo ab auf den Talboden. Der Weg geht vorbei an alten Stellungen der Italiener aus dem I. Weltkrieg. Das Travenanzes-Tal ist ein noch sehr ursprüngliches Canyon-artiges Dolomitental, dessen Talboden durch einen unregulierten, breit auseinanderfächernden Bachlauf ausgefüllt ist. Das Tal scheint weder durch Besiedlung noch durch Weidewirtschaft in seiner Ursprünglichkeit beeinträchtigt zu sein. Unterwegs überholen uns allerdings 2 Mountainbiker, die es offenbar als ganz besondere Herausforderung ansehen, in dem weglosen Bachbett auf ihren Drahteseln zu Tal zu brettern (unten sehen wir dann ein Schild, das das Tal für Mountainbiker eindeutig als gesperrt ausweist). Wir steigen das Tal - immer wieder fotografierend - bis auf ca. 1500m Höhe ab, wo das Travenanzes-Tal und das Fanes-Tal zusammentreffen. Dann steigen wir das Fanes-Tal wieder bis zum Le de Limo auf, von wo uns die Fanes-Alm- Hütte schon begrüßt. Unterwegs immer wieder malerische Almen mit Almwirtschaften und Haflinger-Pferden und ringsum hohe Dolomitenberge. Tiramisu und eine warme Dusche sind die Belohnung für diese wegen der Höhenmeter doch wieder anstrengende Tour.
Höhenmeter : 705 Hm im Auf- und 1230 Hm im Abstieg
Gehzeit : ca. 7:30 h
Für unseren letzten Wandertag haben wir uns als nicht so lange Tour den versicherten Steig auf den Croda del Vallon Bianco (2684m) ausgesucht. Wir starten um 9:00 Uhr von der Fanes-Alm-Hütte in Richtung Gross-Fanes-Alm und weiter auf dem Weg VB- 17. Im Klettersteigführer steht der Via de la Pace auf den Croda del Vallon Bianco als leichter Klettersteig drin, aber in Wahrheit ist es ein gesicherter Steig, auf dem einem eine Klettersteigausrüstung kaum etwas helfen würde. Wir haben sie gar nicht erst dabei. So steigen wir zügig auf, doch auf 2550m Höhe muß ich diesmal passen. Auf Grund der Kälte der vergangenen Tage und meiner sich entwickelnden Grippe bin ich heute auf den Schotterwegen nicht trittsicher genug und fühle mich unsicher. Die anderen Drei machen also die letzten ca. 100 Hm zum schönen Gipfel mit Blick in die Sextener Dolomiten und zurück ins Travenanzes-Tal von gestern ohne mich. Ca. gegen 14:30 Uhr sind wir wieder im Tal und machen an einem Bachlauf in der Sonne ausgiebige Rast.
Höhenmeter : 1000 Hm im Auf- und Abstieg
Gehzeit : ca. 7:00 h
Die Nacht war wegen multiplen Schnarchern (incl. mir selbst) recht unruhig. Meine sich entwickelnde Grippe macht sich bemerkbar. Kerstin klagt über Schmerzen in der Nackenmuskulatur - offenbar hat sie sich vorgestern im kalten Schatten verkühlt. Nach dem Frühstück machen wir uns gegen 8:30 Uhr auf den Abstieg zur Pederü-Hütte, wo wir nach ca. 1:20 h recht schnell angekommen sind. Mit dem Auto geht's auf die Heimreise nach Chemnitz, vor der wir aber noch schnell in Bruneck unseren Wochenend-Lebensmitteleinkauf absolvieren. Am Staller-Sattel haben wir Glück, dass wir gerade den Rest der Grünphase für die 1-spurige Auffahrt zum Sattel erwischen und so haben wir oben unsere beiden Freunde im zweiten Fahrzeug wieder eingeholt. So kommen wir zu einem gemeinsamen Mittagessen zu Viert in St. Jakob in Tirol. Die weitere Heimfahrt durch den Felbertauern-Tunnel verläuft ohne weitere nennenswerte Vorkommnisse und so sind wir gegen 20:00 Uhr nach einem schönen 14-tägigen Schweizurlaub und einer schönen Woche in der Fanes & Tofana wieder zu Hause.
Höhenmeter : 45 Hm im Auf- und 560 Hm im Abstieg
Gehzeit : ca. 1:20
Neben diesem Tourenbericht gibt's außerdem noch die folgenden Dokumente zur Tour :
Story written by Thomas Frank, 22. November 2004.