Bergtour über den Zillertaler Höhenweg

Urlaubstour vom 07. August - 11. August 2002

Teilnehmer

Mit von der Partie waren diesmal : Kerstin und Thomas Frank (DAV-Sektion Chemnitz).

Ausrüstung

Im Prinzip ist im Sommer keine besondere Ausrüstung notwendig. Wenn man die Tour unter ähnlichen Wetterbedingungen gehen sollte wie hier beschrieben, so ist auf sehr gute Regenbekleidung und eine wärmende Kleidungsschicht zu achten, um auf den langen Tagesetappen nicht auszukühlen. Auch mitten im Sommer kann eine Fleece-Mütze und -Handschuhe nicht verkehrt sein (insbesondere an den Drahtseilpassagen).

Besondere Vorsicht und Trittsicherheit (respektive Schuhe mit rutschsicherer Laufsohle) erfordert das Zillertaler Urgestein bei Nässe. Der Bewuchs mit Flechten führt sehr schnell zu einer sehr rutschigen Gesteinsoberfläche und macht Übertritte - z.B. in Großblockfeldern - zum unkalkulierbaren Risiko, die bei trockenem Wetter keinerlei Nachdenken erfordern.

Vorbemerkung

Im September 1994 hatte ich den Zillertaler Höhenweg schon einmal mit 5 Freunden vom DAV Chemnitz von der Kasseler Hütte bis zum Furtschaglhaus begangen. Bei dieser Tour hatten wir auch deutlich bessere Wetterbedingungen als dieses Mal. Da Kerstin damals noch nicht mit von der Partie war, hatten wir uns für diesen Sommerurlaub die Begehung des Zillertaler Höhenwegs in umgekehrter Richtung vorgenommen.

Für die Tour über den Zillertaler Höhenweg hat man im Vorfeld wenig vorzubereiten, da die DAV-Sektion Berlin eine bestens aufbereitete Tourenbeschreibung mit detailliertem Höhenprofil auf ihren Webseiten bereitstellt. Lediglich die Telefonnummern der Hütten sollte man vorher nochmals verifizieren. Außerdem sollte man darauf vorbereitet sein, daß die Bezeichnung "Höhenweg" für diesen extremen alpinen Steig einen Euphemismus darstellt - zumindest was die Tagesetappen zwischen Edelhütte und Furtschaglhaus angeht. Hier werden täglich mindestens 1000 Hm im Auf- und Abstieg fällig, was gewisse Voraussetzungen an die Kondition und die allgemeine Fitness mit sich bringt.

Mittwoch, 07. August 2002

Wir reisen - auf den DAV-Wetterbericht vertrauend - aus den Dolomiten von unserer Tour in der Puez-Geisler-Gruppe und in der Sella in die Zillertaler Alpen an. Aber das Wetter hat den Wetterbericht nicht gehört und es nieselt leise vor sich hin (Vom 11.-15.08.2002 soll es dann in Folge so heftige Niederschläge über ganz Österreich und Deutschland geben, daß weite Landstriche von einer Jahrhundertflut heimgesucht werden. Wir befinden uns unmittelbar im Vorfeld dieser - zu diesem Zeitpunkt noch nicht erahnbaren Ereignisse.). Alles ist in Wolken. Wir fahren zum Schlegeisspeicher (1782m) hinauf und essen noch etwas am Zamser Eck. Dann ziehen wir uns die Regensachen an und beginnen den Aufstieg zum Furtschaglhaus (2293m). Kerstin kämpft noch mit einer leichten Magenverstimmung und so steigen wir langsam in die Wolke auf. Nach 3:00 h erscheint schemenhaft erst der Materiallift und dann die Hütte aus dem Nebel. Wir bekommen ein Lager für uns alleine und begeben uns anschließend in den trotz schlechtem Wetter bestens gefüllten Gastraum. Durch Zufall kommen wir an einen Tisch mit einem franko-kanadischen Pärchen zu sitzen, die uns nun die gesamte Zeit begleiten werden. Wir werden uns also die nächsten 4 Tage mehr englisch als deutsch unterhalten und haben viel Spaß miteinander.

Höhenmeter : 505 Hm im Aufstieg

Gehzeit : 3:00 h

Donnerstag, 08. August 2002

Gipfel des Schönbichler Horns (3133m) bei leichten Winterbedingungen und Nullsicht

Früh hat sich die Situation nur insofern gebessert, als daß es nun nicht mehr direkt regnet. Wir sind mitten in der Wolke, die Sichtweite liegt unter 50m und Feuchtigkeit schlägt sich überall nieder. Die Wetterprognose hörte sich besser an... Wir beginnen den langsamen Blick zurück auf den östlichen Grat des Schönbichler Horns Aufstieg zum Schönbichler Horn (3133m), das auf dem Weg zur Berliner Hütte zu überschreiten ist. Ab ca. 2800m stellt sich eine Schneeauflage ein, die bis zum Gipfel ca. 5cm matschigen Neuschnee erreicht. Der Gipfel ist sowohl west- als auch ostseitig mit Drahtseilen versichert und damit geht es trotz des rutscheligen Untergrundes ganz gut. Aber der eigentliche Gipfelanstieg von 30m ist recht heikel bei der Glätte (auch wenn fast nichts zu sehen ist, will man den dann doch nicht weglassen). Oben herrscht annähernde Null-Sicht - das olympische Prinzip regiert. Nach kurzer kalter Gipfelrast beginnen wir den nicht weniger heiklen Abstieg zur Berliner Hütte (2042m). Dieser dauert lange, ist aber nur am versicherten Grat des Schönbichler Horns bei diesen "Winterbedingungen" aufregend, danach ist es ein recht normaler alpiner Wanderweg.

Nach 7:30 h kommen wir auf der Berliner Hütte an. Das Prozedere hier hat sich seit 8 Jahren nicht geändert. Man ist als Wanderer ein unwillkommener Bittsteller, dem als Gnade zu jeder vollen Stunde ein Lager zuteil werden kann (das DAV-Gesetz, daß dem Mitglied bei Ankunft auf der Hütte nach Möglichkeit sofort ein Lager zuzuweisen ist, ist hier unabhängig vom Aufkommen an Tagesbesuchern außer Kraft gesetzt). Die Lagernummer wird an einem Schalter ausgereicht, bei dessen Anblick jedes preussische Beamtenherz höher schlägt. Rings um die Schalterluke sind Anschläge mit zusätzlichen Vorschriften drapiert, die der Gast bitte einzuhalten hat. Hat man die Gnade einer Lagernummer empfangen, kann es jedoch dann immer noch passieren, daß man vor dem verschlossenen Lager eine weitere Viertelstunde wartender Weise zubringt, bis jemand mit dem Lagerschlüssel erscheint und der Einlaß ins Lager als abschließender Gnadenakt erfolgt.

Großer Möseler (3478m) von der Terasse der Berliner Hütte (2042m) aus

Hat man diese Hürden genommen, kann man sich auf die Sonnenterasse begeben und beim Anblick des Großen Möselers mit einem Weizenbier seinen Frust herunterspülen. Auch der große Speisesaal oder die historische Treppenempore im Eingangsbereich hat ihren eigenen Charme. Nicht zu vergessen ist auch das Barometer im Flur mit einer Werbung für eine den Atlantik überquerende Dampferschifffahrtslinie (Blaues Band) - Prädikat "Very special!" für eine Alpenvereinshütte.

Höhenmeter : 950 Hm im Aufstieg und 1205 Hm im Abstieg

Gehzeit : 7:30 h

Freitag, 09. August 2002

Gestern nachmittag ganz nett, ist das Wetter nach wie vor recht wechselhaft und bewölkt, früh nieselt es sogar wieder. Unsere kanadischen Freunde sind ein wenig unglücklich. Sie sind vom Brenner schon fast eine Woche in den Zillertaler Alpen unterwegs und haben von den Bergen eigentlich noch nicht viel zu sehen bekommen. Der Wetterbericht verheißt zumindestens bis zum Nachmittag trockenes Wetter mit danach einsetzendem erneuten Niederschlag. Man sollte also so gegen 15:00 Uhr auf der Greizer Hütte sein.

Der letzte Anstieg zur Mörchenscharte (2870m) führt über ein flaches Firnfeld

Wir stehen früh auf und starten gegen 8:00 Uhr in Richtung Greizer Hütte (2226m). Der Weg geht zunächst über alm-ähnliche Wiesen hoch zum Schwarzsee (2471m). Hier wollen wir rasten, aber ein aggressives (Kampf-)Schaf attackiert uns und will unbedingt uns, unsere Rucksäcke und unsere Stöcke ablecken. Irgendwie scheint es einen dramatisches Salzdefizit mit Bewußtseinstrübung aufgebaut zu haben. Es läßt sich auch durch drastische Maßnahmen (leichte Flankenschläge und Einsatz der stumpfen Stockseite) nicht von seinen Zudringlichkeiten abbringen. So geben wir es mit unserer gemütlichen Rast auf und weichen der Alpenfauna. Nach ca. 3 h erreichen wir über Geröllpfade und ein abschließendes Firnfeld die Mörchenscharte (2870m). Die letzten 5m Anstieg bestehen aus von Firn zusammengehaltenen losen Blöcken in einer steilen Rinne. Auf der anderen Seite erwarten uns zunächst wieder mehrere Sektionen von Drahtseilen. Der Weg führt danach in einer steilen Rinne (Mörchenklamm) in ständigen Serpentinen abwärts bis zum Gletscherbach. Auf einem grasigen Wegabschnitt hat jemand vor uns einen Abstieg aus der Mörchenscharte durch die über 1000m hohe Mörchenklamm - auf der anderen Talseite gegenüber grüßt die Greizer Hütte (2226m) schwarzen Bergsalamander aufgestöbert, der wegen der Kälte nicht schnell genug flüchten konnte. Doch bevor wir heran sind, hat er ihn schon wieder in die Freiheit entlassen und wir erwischen gerade noch einen flüchtigen Blick auf ihn, bevor er ins Gras entschwindet. Zum Schluß der Tagesetappe warten auf den angeschlagenen Bergwanderer im unteren Drittel der Klamm nochmal Seilversicherungen, eine 8m Aluminiumleiter und zwei interessante Bachübergänge. Nach kurzer Rast am Gletscherabfluß treibt uns ein Donnergeräusch auf den letzten 400 Hm-Aufstieg zur Greizer Hütte hinauf. Es ist aber (noch) nur "Theaterdonner" und wir erreichen trocken diese nette kleine Hütte, die von einem Wirtsehepaar liebevoll besorgt wird (das können wir nach der Berliner Hütte gut gebrauchen). Dieser Tag hat uns aber doch ob seiner Höhenmeter auf diesem Übergang einiges abverlangt.

PS: Im englischsprachigen Tourenführer unserer kanadischen Freunde steht, daß man beim Aufstieg zur Greizer Hütte nach dem Edelweiß Ausschau halten soll ("Watch for the Edelweiss!") - ohne allerdings eine Erklärung darüber abzugeben, was ein Edelweiß eigentlich ist und ob ich nach einem Tier, einer Pflanze, einem 2m großen Objekt oder einer Pflanze von wenigen Zentimetern Größe Ausschau zu halten habe. Die Frage an uns führte einerseits zu großem Gelächter unsererseits, andererseits aber auch zu Erklärungsnöten, denn weit und breit ist kein Edelweiß zu sehen und mit der genaueren Erklärung in Englisch tuen wir uns schwer. Wir versprechen ihnen, ein Bild von den in unserem Garten wachsenden Kultur-Edelweiß per Email nach Kanada nachzureichen, damit sie wenigstens im Nachhinein feststellen können, ob ihnen ein Edelweiß begegnet ist (Sie meinten, dem Bild nach hätten sie wohl doch kein Edelweiß gesehen.).

Höhenmeter : 1230 Hm im Aufstieg und 1050 Hm im Abstieg

Gehzeit : 7:30 h

Samstag, 09. August 2002

Morgenstimmung auf der Greizer Hütte (2226m)

Die Wetterprognose für heute war schlecht - so eine Art Landregen von Süden her war vorhergesagt. Aber früh beim Frühstück sieht es wieder nicht ganz so übel aus. Die eine Wolkendecke liegt unter uns im Tal, die andere klebt oben an den Bergspitzen im Süden und dazwischen kommt immer mal die Sonne durch. So beschließen wir doch den Übergang zur Kasseler Hütte (2177m) - wohl wissend, daß aus einer trockenen Ankunft an der Hütte heute wohl nichts werden wird. Im dem Moment, wo wir aus der Hütte treten, setzt jedoch schon der Regen ein. So beginnen wir unseren Aufstieg zur Lapenscharte (2700m) im Nieselregen und sind bald gehörig naß - was sich dann den gesamten Tag über nur geringfügig ändern soll. Doch es ist auch eine ganz interessante Erfahrung, eine solche alpine Wanderung einmal bei solch wechselhaftem Regenwetter zu machen - und Gore-TeX macht es möglich, dabei auch noch Spaß und Freude an der uns umgebenden Natur zu haben. Wir sind recht schnell in der Lapenscharte, womit die Haupthöhenmeter für den heutigen Tag geschafft sind.

Bergsalamander - eine seltene Begegnung

Auf der anderen Seite geht es fast 700 Hm abwärts. Der Weg ist hier nicht überall so "sortiert" wie wir es auf den Großblockfeldern der letzten Tage gesehen haben. Der ganze Talkessel erscheint insgesamt recht wild und von Menschen wenig berührt und "kontrolliert" im Vergleich zu anderen Alpentälern. Insbesondere die Geröllfelder und die mehr als 20 Bachüberschreitungen sind immer für Überraschungen gut. Am Hang gegenüber der Hütte kommen wir an die interessanteste Stelle der heutigen Etappe - die Elsenklamm. Hier quert der Weg erst einen in die Klamm stürzenden Bach und quert dann die Steilwand darüber an Stiften und Stahlseilen über eine Distanz von ca. 150m. Die Tiefblicke sind gut, aber der technische Anspruch dieser Mini-Ferrata ist geringer als in den letzten Tagen an den entsprechenden Stellen. Unmittelbar vor und hinter der Elsenklamm stoßen wir dann auf "unsere" schwarzen Bergsalamander. Sieh Die Kasseler Hütte (2177m) trohnt in einer rauhen, von Gletschern geschaffenen Bergszenenerie auf ihrem Felsvorsprung sind in der Nässe und Kälte so träge, daß ich sie auf einem Stein Kamera-gerecht in Positur setzen kann, ohne daß sie so schnell weglaufen können. Nach dem Foto-Shooting begeben sie sich behäbig wieder ins feuchte Gras und sind nach kurzer Zeit nicht mehr auffindbar. Obwohl ich schon viel in den Bergen unterwegs gewesen bin, muss man sich offenbar bei derart miesem Wetter vor die Hütte trauen, um diese kleinen Mini-Saurier zu Gesicht zu bekommen.

In Folge laufen wir den großen Talkessel mit ständigem Sichtkontakt zur Kasseler Hütte aus, wobei die ständig zu überquerenden Gletscherbäche zu häufigem Auf- und Abstieg und Balanciererei auf den unsortierten Steinen in den Bachrinnen zwingen. Auch wenn dieser Hüttenübergang auf der Karte zunächst ein wenig harmloser ausschaut, als die Übergänge der vergangenen Tage, so zieht sich die Talumrundung doch ganz schön in die Länge, zumal wir bei den mit Flechten bewachsenen, feuchten Steinen recht vorsichtig sein müssen. Bei einem Fehltritt kann es bei solchem Wetter unter Umständen lange dauern, bis Hilfe eintrifft. Letztendlich werden wir 1/2 h vor der Hütte noch einmal kräftig eingeweicht, erreichen die Hütte aber wohlbehalten.

Höhenmeter : 710 Hm im Aufstieg und 715 Hm im Abstieg

Gehzeit : 6:45 h

Sonntag, 10. August 2002

Nun ist das Tief von Süden mit seiner ganzen Kraft im Zillertal eingetroffen. Von früh an regnet es Bindfäden. An einen Weiterweg in Richtung Edelhütte ist nicht zu denken (der Übergang braucht bei trockenem Wetter zwischen 8-9 Stunden und hat es mit den Höhenmetern wieder in sich). Für uns ist damit unsere Tour über den südlichen Teil des Berliner Höhenwegs beendet. Wir steigen im Regen ins Tal zur Grüne-Wand-Hütte (1438m) ab und nehmen den Kleinbus nach Mayrhofen. Unterwegs sind viele Bäche und Rinnsale schon über ihre Ufer getreten und der Bergweg ist stellenweise eher ein Bachbett. Von Mayrhofen bringt uns der Postbus mit direktem Anschluß und ohne Wartezeit zurück zu unserem Auto am Schlegeisspeicher, der heute in den Wolken liegt. Von hier treten wir in sintflutartigem Regen die Heimreise an.

Höhenmeter : 740 Hm im Abstieg

Gehzeit : 1:45 h

Für die Statistikfreaks : insgesamt wurden von uns während dieser Tour 3395 Hm im Aufstieg und 3710 Hm im Abstieg in 4 Tagen zurückgelegt. Die gestiegenen Höhenmeter wurden mit einer Avocet Vertech Alpin ermittelt und mit der Karte abgeglichen. Die Höhenmeter im Abstieg wurden dann aus diesem Meßwert und Kartenangaben ermittelt. Die angegebenen Gehzeiten sind die von uns benötigten Zeiten von Hütte zu Hütte inclusive aller von uns eingelegter Pausen.


Neben diesem Tourenbericht gibt's auch noch :

eine Tourbeschreibung zum Berliner und Aschaffenburger Höhenweg in den Zillertaler Alpen von der DAV-Sektion Berlin
das Höhenprofil des Zillertaler Höhenweges
und eine kleine Bildergallerie zur Tour.

Story written by Kerstin und Thomas Frank, 14. Oktober 2002.