Die erste Idee zu einer gemeinsamen Sommerurlaubstour nach Canada und in die USA kam uns vor fast 2 Jahren auf einer Tour in den Alpen. Ich war 1995 drei Wochen mit dem Auto in Californien unterwegs gewesen, hatte Yosemite, Sequoia, Mt. Whitney, Death Valley, die Pazifikküste, Lassen Volcanic NP und den Mt. Shasta besucht. Davon angeregt stiftete uns Jörg öfter mal wieder an, doch so eine Tour gemeinsam mit Freunden vom Alpenverein in Chemnitz zu unternehmen. Jörg ist unser "Seniorchef" und bereits über 50. Er spricht kein Englisch und sah für sich keine Möglichkeit, den Traum vom Amerikaurlaub auf andere Weise wahr werden zu lassen. Über die zwei Jahre schliffen sich die Vorstellungen von einem solchen Urlaub mehr und mehr ab, weitere Freunde wurden in den Plan eingeweiht, und nun in diesem Jahr war es dann so weit. Letzte Hürde war eigentlich, die Urlaubspläne von 5 Firmen und Institutionen so zu koordinieren, daß alle Beteiligten zum selben Zeitpunkt 4 Wochen Urlaub bekamen. Auch das gelang, wenn auch mit "Verlusten" - Konstanze sah keine Chance, von ihrem Krankenhaus im Juli/August 4 Wochen frei zu bekommen. Mit von der Partie waren also letztendlich Kerstin und Thomas (ich), Annegret, Jörg und Jens (alias Joyce).
Die Reisevorbereitungen dauerten mit unterschiedlicher Intensität von Januar bis Juli 1997. Zunächst wurden 2-3 verschiedene Reiserouten erarbeitet, mit den Meilen/Kilometern unterlegt und die Wanderungen/Gipfelbesteigungen in den Zeitplan eingearbeitet. So stand im Januar fest, daß wir die Tour von Calgary aus starten werden und wir buchten 5 Plätze in einer Maschine von Air Transat (einem kanadischen Charterflug-Unternehmen) von Frankfurt/Main nach Calgary und retour. Das war Ende Januar schon relativ knapp, da schon eine Menge Buchungen vorlagen. Der Flug bei Air Transat hat uns ca. 1300,-DM pro Person gekostet. Als nächstes haben wir 2 PKW ab/an Calgary bei Alamo gebucht. Jeder kostete für die 27 Tage ca. 2000,-DM. Die 200 Frei-Km pro Tag hielten wir für keine ernstliche Beschränkung, da wir ja nicht die ganze Zeit "on the road" sein wollten, sondern auch Backcountry-Wanderungen und der eine oder andere Berg auf dem Programm stehen sollte. Letzter (und fast nervenaufreibendster) Teil der Vorbereitungen war die Feinabstimmung des Tourprogramms und die Koordination der Ausrüstung für 5 Personen. Joyce, unser Vorsteiger im Erzgebirge und im Elbsandstein, wollte z.B. dringend noch zum Devils Tower und in die Bighorn Mountains. Da uns das aber ca. 2000 Meilen zusätzliche Fahrerei eingebracht hätte, wurde dieser Punkt aus dem Tourenprogramm gestrichen. Auch wurde die Ausrüstung auf die alpine/gletschertechnische Ausrüstung reduziert. Die reine Felskletterausrüstung mußte diesmal zu Hause bleiben.
Wir fahren früh in Chemnitz mit der DBAG los, zunächst nach Leipig und von dort weiter nach Frankfurt/Main. Von dort startet der Charterflieger von Air Transat. Die Maschine ist eine ältere Lockheed 1011, die einen etwas abgenutzten aber gewarteten Eindruck macht. Die Sitzplatzanordnung ist charterflugmäßig eng. Das Essen entspricht den (heruntergeschraubten) Erwartungen. Gegen Abend um 21.30 Uhr sind wir auf dem Calgary Airport und werden vom Shuttle-Bus zu Alamo gefahren. Eines der Autos steht bereit (ein weißer Chevrolet Lumina), das zweite wird gerade gewaschen (ein brauner Pontiac GrandAm). Nach kurzer Verzögerung können wir starten und uns eine Lodge für die erste Nacht in Canada suchen.
Vormittags gehen wir nochmal in Calgary einkaufen. Wir wollen uns nicht lange in der Stadt aufhalten, da wir zum Ende der Tour noch einmal in Calgary sind. So kaufen wir nur Lebensmittel und sind nochmal im Einkaufstempel von Mountain Equipment Coop. Dann fahren wir entlang des Highways zügig weiter nach Banff. Stadtbummel, Mittagessen und Resteinkäufe. Dann steuern wir einen Zeltplatz am Castle Mountain an. Wir machen erste Bekanntschaft mit kanadischen Mücken, die 1. recht zahlreich und 2. ziemlich aggressiv sind. Verschiedene Sorten Zeugs zum Einreiben schafft für ca. 1 Stunde Erleichterung, dann ist der Zustand von vorher wieder hergestellt. Wegen der Mücken gehen wir zeitig in die Zelte schlafen.
Wir machen unsere erste Eingehtour. Direkt vom Castle Mountain Campground laufen wir das Tal zum Tower und Rockbound Lake hinauf. Am Weganfang ist auch noch ein Wasserfall zu bewundern. Für Canada typisch sind die langen Anstiege, bei denen man sich über weite Strecken in geschlossenem Wald bewegt. Nur selten öffnet sich der Blick aud die umliegenden Berge. Erst nachdem wir die Höhenstufe mit dem Tower Lake hinter uns gelassen haben, wird der Wald lichter und gibt die Sicht auf den Castle Mountain frei. Dieser ist ein großes Massiv, was dem Bergwanderer nur einen recht umständlichen und weiten Zustieg gestattet. Daran ist heute nicht zu denken. Am Rockbound Lake nach ca. 905 Höhenmetern kehren Jörg, Kerstin und ich um. Joyce und Annegret erklettern noch eine 400 Meter höhere Bergspitze in einem Höhenzug (Helens Ridge) seitlich des Castle Mountain. Für eine Eingehtour war's (auch wegen der ständig präsenten Mücken) ausreichend.
Höhenmeter : 905m , Gehzeit : 8:00 h
Wir fahren früh vom Zeltplatz am Castle Mountain nach Lake Louise zur Parkverwaltung. Nach einem Gespräch mit dem Ranger und kurzer interner Beratung entschließen wir uns zu einem Permit für einen 3-Tage-Trip ins Skoki-Valley zum Hidden Lake. Nach Aussage des Rangers können wir aber nur eine Nacht am Hidden Lake bleiben, da der Zeltplatz nach seiner Buchführung total ausgebucht ist. Wir sollen dann zum nächsten Campground weiterziehen. Die Wirklichkeit soll jedoch anders aussehen. Wir sind 3 Tage am Hidden Lake und außer uns sind nur 2-3 andere Zelte dort.
Wir fahren mit den Autos zum Trailhead und packen zügig die Rucksäcke für die nächsten 3 Tage (mangels Koordination fallen die Brot- und Toilettenpapiermengen etwas gering aus). Bei etwas verhangenem Wetter und einsetzendem Regen nach der Hälfte des Weges steigen wir zum SK5-Campground am Hidden Lake auf. Vor einem stärkeren Regenguß haben wir die Zelte aufgebaut. Wir verbringen den Rest des Tages im Zelt mit "buzeln". Gegen abend läßt der Regen nach, so daß wir ordentlich kochen können.
Höhenmeter : 480m , Gehzeit : 3:00 h
Wetter in Canada ist immer ein Grund zum Staunen. Gestern noch durchwachsen bis schlecht ist heute von früh an sehr schönes und sonniges Wetter und bleibt es auch den ganzen Tag. Auch die Temperaturen sind starken Schwankungen unterworfen. Nachts recht kalt mit gelegentlichen Minusgraden (Eis im Wassersack vorm Zelt) und tags bei intensiver Sonneneinstrahlung Temperaturen um die 30 Grad. Überhaupt ist auch die Sonne sehr stark. Hier spielen die sehr saubere Luft und die Höhe über Meeresspiegel zusammen und lassen ständige Aufmerksamkeit auf den Schutz vor der Sonne angeraten sein.
Heute haben wir uns die Besteigung des Mt. Richardson, 3086m vorgenommen, der direkt hinter dem Hidden Lake aufragt. Es ist kein spektakulärer Gipfel, eher eine Schotterpyramide. Aber es ist kein schlechter Eingehberg und verspricht auch eine gute Aussicht über das gesamte Gebiet des Banff NP. Der Anstieg führt uns zunächst am Hidden Lake vorbei, den wir (wie sein Name ja nahelegt) noch gar nicht zu Gesicht bekommen hatten. Entlang von Schotterrinnen und Schrofengelände gelangen wir auf einen Grat und weiter zu einem steilen Schotterfeld. Mit zwei kleinen Schneefeldern steigt dies bis zum Gipfelplateau an. Das Plateau ist mit einer schönen Randwächte ausgestattet und bietet den erwarteten wunderbaren Ausblick auf die umliegende Berglandschaft. Das Wetter hat gehalten und beschert uns eine schöne Weitsicht (geschätzt ca. 150 km). Zum ersten Mal sehen wir, wie groß das Gebirge eigentlich ist.
Den Abstieg erledigen wir zum Teil auf dem Geröll rutschend, was nicht Kerstins Sache ist. Auch machen wir nochmal ausgiebig Rast außerhalb (oder oberhalb) der mückenverseuchten Zone. Zum Baden im Hidden Lake ist es aber bei unserer Rückkehr schon zu spät und somit zu kalt.
Höhenmeter : 930m , Gehzeit : 8:00 h
Nachts hat es wiederholt geregnet, und es sieht auch früh verhangen aus. Das Wetter verspricht tagsüber so durchwachsen zu bleiben. So entschließen wir uns zu einer Wanderung in der Horizontalen. Rund um den Fossile Mountain an Ptarmigan und Baker Lake entlang soll es heute gehen. Der Tag ist somit der kanadischen Landschaft, der Pflanzen- und Tierwelt gewidmet. Wir halten ständig nach größeren Tieren Ausschau, die uns - abgesehen von 3 Pferden mit Reitern - heute nicht begegnen sollen. Am Aufstieg zum Jones Pass nähert sich ein Gewitter. Wir hüllen uns in GoreTex und erreichen ziemlich naß die Skoki-Lodge - ein sehr gemütliches Blockhaus aus den 30-iger Jahren. Die Übernachtungspreise wären nichts für unseren Geldbeutel - sie liegen so um die 110,- CAD - aber ansonsten könnte man sich auch einen längeren Aufenthalt hier sehr gut vorstellen. Für uns bleibt es bei einem heißen Kaffee und von den Wirtsleuten gebackenen Cookies. Danach setzen wir unsere 18km Rundwanderung fort und geraten prompt in die nächste Regenhusche. Am Zeltplatz angekommen hört der Regen auf, und mit der herauskommenden Sonne wird es sofort wieder sehr warm. Innnerhalb von 2 Stunden sind alle Sachen in der Sonne getrocknet.
Höhenmeter : 545m , Gehzeit : 8:00 h
Der Tag beginnt mit Packen. Wir steigen ab nach Lake Louise. Am Trailhead angekommen nehmen wir noch an einer Umfrage der Ranger teil, die sich um die Grizzlybären im Skoki-Valley in Kombination mit der Anzahl der Wanderer/Besucher Sorgen machen. Wir machen Station auf dem Campground von Lake Louise und verbringen den Tag mit Einkaufen, Bummeln, Duschen und Wäsche waschen im Lake Louise Village. Erstaunlicherweise ist auch der Campground von Lake Louise fast mückenfrei, so daß wir am Abend erstmalig eine Flasche Rotwein am Lagerfeuer genießen können (die Betonung liegt hier auf genießen).
Kerstin hat es gestern außer Gefecht gesetzt. Ein Insektenstich in der Kniekehle ist auf einen Durchmesser von fast 10cm angeschwollen und bereitet ihr beim Gehen Schmerzen. Arztbesuch lehnt sie aber ab. Sie bekommt das eine Auto und startet zum kleinen "touristischen" Programm am Morain Lake und Lake Louise. Wir 4 anderen wollen heute vom Parkplatz am Morain Lake auf den Eiffel Peak, 3084m. Der Weg führt erst fast 500 Höhenmeter durch dichten Wald und bietet wenig Ausblicke (eben Canada). Dann hat man die Baumgrenze hinter sich und der Blick öffnet sich auf den fantastisch gefärbten Morain Lake, die umgebende Gletscher- und Bergwelt. Der Anstieg auf den Eiffel Peak führt über einen stetig ansteigenden Grat über Schotter und Blockgestein. Auf den letzten 200 Höhenmetern lauern noch 2 einfache Kletterstellen in einer Rinne (ca. sächsisch II-). Vom Gipfel herrliche Aussicht auf Paradise Valley, Mt. Temple, den über dem Morain Lake thronenden Mt. Fey mit seinem großen Gletscher. Auf der Nordseite fällt der Eiffel Peak mehrere 100 Meter fast senkrecht ab. Dem Gipfel vorgelagert steht der Eiffel Tower - ein reiner Klettergipfel mit mühseligem Zustieg.
Der Abstieg an der Kletterstelle ist dann ohne Seil etwas heikel, aber auch wegen der Steinschlaggefahr. Dann geht es lange über Schotterfelder und wieder durch den Wald zurück zum Auto. Die Knie werden langsam spürbar.
Höhenmeter : 1235m , Gehzeit : 8:05 h
Früh brechen wir zur Weiterfahrt auf. Aber erst geht's nochmal zum Lake Louise. Kurzer Uferspaziergang, von dem gigantischen Hotel muß man eben abstrahieren können. Viele fast handzahme (und fett gefütterte) ground squirrel. Über den Highway 1/93 geht es nun Richtung Norden in den Jasper NP. Unterwegs machen wir Station am Crowfoot Glacier, am Bow Lake (gutes Restaurant !), am Peyto Lake und am Ufer des Saskatchewan River. Gegen abend erreichen wir das Columbia Icefield und den Mt. Athabasca - unser nächstes Ziel. Auf dem Willcox Campground ist alles voll, erst auf dem Icefield Campground bekommen wir die letzten 2 Stellplätze. Abends inspizieren wir noch den Parkplatz der Columbia Icefield Glacier Mobiles - ein Unternehmen, daß für ca. 32,-CAD pro Person mit Allradfahrzeugen 2 Stunden auf dem (planierten) Gletscher herumfährt. In der Information gibt es aber auch einen aktuellen und genauen Wetterbericht. Abends nochmals Studium des Tourenführers - der Mt. Athabasca erscheint als sehr möglich, das Wetter soll sehr gut werden.
Um 4.00 Uhr ist Wecken, wir machen uns auf, um den Mt. Athabasca zu besteigen. Im Führer ist er als leichte Gletschertour beschrieben. Dort findet sich auch ein weiterer guter Tip. Wenn man früh dran ist, dann ist die Schranke an der Straße des Glacier-Mobile-Unternehmens noch geöffnet, und man kann sich ca. 2 Kilometer Asphalt-Latscherei zum Einstieg ersparen. So klappts dann auch, und wir kommen mit den Autos bis an den Fuß einer Randmoräne, über deren Rand der Aufstieg bis zum Gletscherfuß beginnt. Um 5.15 Uhr sind wir vor Ort und beginnen den Aufstieg. Nach ca. 500 Höhenmetern auf der Randmoräne stehen wir am Gletscherrand und legen das gesamte Gerödel an. Auf guter Spur mit nur wenigen (sichtbaren) Spalten geht es fast 900 Höhenmeter auf dem Gletscher in sanften Kurven um die Gletscherbrüche und Steilstellen aufwärts. Dann stehen wir zunächst auf dem Silberhorn - einem Vorgipfel des Mt. Athabasca. Bis hierher haben wir ca. 6 Stunden gebraucht. In nochmal 20 Minuten geht es auf schmaler Spur auf der Rückseite der Gipfelwächte zum Hauptgipfel des Mt. Athabasca. Rechts von einem geht es hinter einer schmalen Felsbarriere steil in die Tiefe. Der Gipfel ist wegen der Wächte nicht so exakt auszumachen. Aber unabhängig davon ist die Aussicht fantastisch. Das Wetter beschert uns wieder eine irre Fernsicht von 200 km und mehr. Das Columbia Icefield und die vielen Seitengletscherarme liegen unter und neben uns. Mit der Karte können wir eine Vielzahl der Gipfel in unserer Umgebung zuordnen. Der Highway mit der Station des Glacier-Mobile-Unternehmens liegt tief unter uns und hat Spielzeuggröße. Nach dem Gipfelbild geht es wieder zurück. Der Abstieg zieht sich lange hin und erfordert trotzdem Konzentration. Unten auf der Randmorräne plagt uns dann zunehmend der Durst. Wieder am Campground baden wir zunächst in einem eiskalten Bergbach, der unsere Lebensgeister wiederbelebt. Der Tag klingt mit einem chinesischen Abendbrotessen im Restaurant der Columbia-Icefield-Station aus.
Höhenmeter : 1485m , Gehzeit : 11:45 h
Nach unserem schönen Gipfelerlebnis gestern ist dieser Tag wieder ein Fahrtag. Weiter geht's Richtung Norden auf dem Icefield Parkway. Es lohnt unterwegs immer mal wieder anzuhalten, z.B. beim Blick auf den Brussels Peak, an den Sunwapta Falls, den Athabasca Falls oder am Maligne Lake. Auf letzterem unternehmen wir eine Bootsfahrt zu der in vielen Canada-Kalendern abgelichteten Insel Spirit Island. Gegen abend haben wir dann Quartierprobleme, da rund um Jasper alle Campgrounds voll sind. Erst 15km südlich am Highway 93A kommen wir in Wabasso unter.
Früh Einkaufen in Jasper. Dann geht's weiter Richtung Westen aus dem Jasper NP heraus. Man kommt am Mt. Robson - dem höchsten Berg der kanadischen Rocky Mountains - vorbei. Aber das Wetter ist leicht unbeständig und wolkig, so daß wir seinen Gipfel nicht zu Gesicht bekommen. Den ursprünglichen Plan, hier eine mehrtägige Tour auf die Rückseite des Berges zu unternehmen, lassen wir aus diesen Gründen fallen und fahren weiter.
Vor uns liegen ca. 1000 km bis zu unserem nächsten Ziel. Wir wollen an die amerikanische Pazifikküste vom Bundesstaat Washington, dabei durch den Northern Cascades NP und über Seattle letztendlich zum Mt. Rainier. An diesem Tag kommen wir noch über die Highways 16, 5, 5A bis nach Merritt. Dort übernachten wir auf einem kommunalen Campground im Ort.
Die etwas eintönige Fahrerei Richtung Südwesten setzt sich zunächst fort. Highway 5A, 3 und dann per "Abschneider" über die USA-Grenze (Straße geringer Ordnung von Osoyoos nach Tonasket). Der Officer ist mit 5 Ausländern voll überfordert und muß mehrere Blicke in seine Vorschriften werfen, welche Formulare zu welchen Kosten für uns auszufertigen sind. An diesem Tag erreichen wir abends noch den Northern Cascades NP, überqueren den Paß und bekommen im zweiten Anlauf bei Newhalem Platz auf einem Campground, der in völlig übermoostem, grün überwuchertem Wald liegt. Ein düsterer Zeltplatz, der aber nicht so naß ist, wie das viele Moos zunächst vermuten läßt.
Heute steuern wir Seattle an. Jörg ist ja das erste Mal in Amerika und dazu gehört eben auch ein Besuch in einer richtigen amerikanischen Wolkenkratzerstadt. Über Highway 20 und die Interstate 5 kommen wir mit ein wenig Stau (und das in Amerika !) nach Seattle. Aber wahrscheinlich hat das schöne Wetter auch noch andere Leute zu einem Stadtbesuch angeregt. Laut Reiseführer hat Seattle im Jahr nur 47 Sonnentage, und einen davon haben wir heute erwischt. Wir fahren zur Space Needle - dem Fernseh- und Aussichtsturm von Seattle. Die Sicht ist gut und nach ein wenig Ausschauhalten haben wir am Horizont auch den Mt. Rainier entdeckt. Wir erschrecken ein wenig über seine Größe (in Kombination mit dem Gedanken, daß wir ihn ja besteigen wollen). Aber Seattle liegt eben auf Meeresspiegelhöhe und der Mt. Rainier hat in nur 75 Meilen Entfernung eine Höhe von 4392 m. Der vergletscherte Vulkankegel des Mt. Rainier als Kulisse hinter Downtown Seattle mit seinen Wolkenkratzern ist ein beeindruckendes Bild.
Fahrt mit der Monorail nach Downtown und 3-stündiger Bummel durch die Innenstadt. Seattle empfinden wir als eine freundliche Stadt mit dem typischen Flair der Hafenstädte am Pazifik. Dann kehren wir zu unseren Fahrzeugen zurück und machen uns auf den Weg in den Mt. Rainier NP. Unterwegs fassen wir noch in einem gigantischen Supermarkt in Parkland Lebensmittel nach, da wir uns ca. 4-5 Tage im Nationalpark aufhalten wollen. Gegen 17.00 Uhr erreichen wir den Eingang des NP und müssen feststellen, daß bei dem schönen Wetter ganz Seattle in den NP übersiedelt ist - kein Campground im NP hat noch freie Plätze. Wir drehen um und bekommen gegen 18.00 Uhr ca. 15km vom NP-Eingang entfernt den letzten freien Platz auf einem anderen Campground außerhalb des NP.
Früh fahren wir erneut in den NP hinein und nun sind die ersten Wochenendgäste beim Abbauen. Wir bekommen einen Zeltplatz in Cougar Rock. Ohne große Verzögerung fahren wir nach Paradise, dem Visitor Center des NP. Wir wissen, daß so anhaltendes schönes Wetter, wie wir es seit 1-2 Tagen haben, am Mt. Rainier etwas sehr Seltenes ist. Normalerweise ist der Mt. Rainier ein Berg, der dem vom Pazifik kommenden Wetter ohne Schutz ausgesetzt ist. Häufig herrscht hier regnerisches Wetter mit Schneefall auch im Sommer, starkem Wind und heftigen und häufigen Wetterumschwüngen. Wir erleben den Berg als sonnenbeschienenen, sanften Riesen. Wir gehen zur Mountain Ranger Station und fragen bangen Herzens nach einem Permit für eine Besteigung, schon gewärtig, daß man uns erklärt, der Berg wäre bis zum Jahr 2000 ausgebucht. Aber es kommt anders. Der Ranger überzeugt sich zunächst durch einige Fragen von unserem Ausrüstungs- und Erfahrungsstand. Dann steht einer Besteigung nichts mehr im Wege - wir erhalten sofort das gewünschte Permit gegen eine Gebühr von 15,-$ pro Person.
Der Wetterbericht verheißt noch mindestens 2 Tage eine stabile Hochdrucklage. So beschließen wir den Aufstieg nach Camp Muir für den Morgen des nächsten Tages und verbringen den Tag mit einer kurzen Wanderung rund um Paradise, daß von sehr schön blühenden Bergwiesen umgeben ist. Bis in den Juli hinein hat hier auf 1600m Höhe Schnee gelegen und es herrscht nun im August Bergfrühling. Von den Berghängen rund um Paradise ergibt sich schon ein guter Rundumblick, aus dem sich die markanten Gipfel der Vulkankegel (bzw. deren Reste) des Mt. Hood, des Mt. Adams und des Mt. St. Helens herausheben. Gegen nachmittag fahren wir zurück nach Cougar Rock Campground und sortieren die Rucksäcke für den morgigen Aufstieg.
Gegen 9.30 Uhr sind wir auf dem Campground in Cougar Rock mit dem Zusammenräumen der Zelte und Ausrüstung fertig. Die Rucksäcke sind gepackt. Da wir nicht genau wissen, welche Verhältnisse wir in Camp Muir vorfinden werden (und auch nicht auf das Shelter angewiesen sein wollen), haben wir Zelte, Schlafsäcke und Isomatten eingepackt. Dazu kommt die Gletscherausrüstung mit 1 Halbseil, Klettergurt und Karabinerkram für jeden und die minimale Kocherkonfiguration. Entsprechend schwer fallen die Rucksäcke aus.
So um 10.00 Uhr sind wir wieder am Parkplatz an der Ranger Station in Paradise und lassen die Autos hier stehen. Joyce führt die Party an und hält sich zunächst möglich weit rechts, um im Aufstieg möglichst lange im Fels aufsteigen zu können. Aber nach 600 Höhenmetern ist der Fels unweigerlich zu Ende und es geht von nun an über Schnee weiter aufwärts. Camp Muir liegt am oberen Ende eines sich über weitere 700-800 Höhenmeter hinaufziehenden Schnee- und Firnfeldes. Es ist absolut spaltenfrei und nur mäßig steil. An keiner Stelle braucht man irgendwelches technisches Equipment. Wenn die schweren Rucksäcke nicht wären, wäre es ein ganz netter Spaziergang im Schnee. Aber die Steigspuren sind leidlich gut und nach 2 Pausen und 1385 Höhenmetern sind wir nach 6.30 h in Camp Muir.
Wir sehen uns zunächst nach einer einigermaßen passablen Stelle für die Zelte um. Aber die ebenen und genügend großen Flächen sind rar. Die meisten von den Amerikanern planieren sich mit einer Schneeschaufel ein Stück Firn für ihre Zelte. Da will Joyce aber nicht so richtig ran, da er denkt, daß es in der Nacht für uns zu kalt wird. Die beiden verbleibenden ebenen Flächen sind aber der Hubschrauberlandeplatz (bleibt frei - logisch) und eine Terrasse vor der Hütte der Mountain Ranger, von der wir verwiesen werden. Bleibt also als Übernachtungsmöglichkeit das Public Shelter für die Individual-Bergsteiger (es gibt noch ein 2. für die organisierten Bergtouren, von denen noch die Rede sein soll). Wir nehmen es in Augenschein und beschließen, in dem Shelter zu übernachten. Es ist ein Kälte ausströmender Bau aus Natursteinen mit zwei übereinander liegenden Pritschen. Isomatte und Schlafsack zwingend erforderlich. An der anderen Wand ist ein Regal mit Bord für die Rucksäcke. Außer uns finden sich in dem Shelter nach und nach noch ca. 10 Personen ein.
Der Nachmittag vergeht mit Rucksack umsortieren und der Zubereitung von Trinkwasser aus Schnee. Alle haben großen Durst, die Trinkflaschen müssen für morgen gefüllt werden und Abendbrot soll es auch noch geben. Nach und nach bereiten Joyce und ich ca. 12 Liter Trinkwasser zu. Gegen 18.30 Uhr legen wir uns, nachdem die Sonne gerade hinter dem Berg verschwunden ist und es sofort merklich kälter geworden ist, mit den meisten anderen Bergsteigern "Schlafen". Wecken haben wir auf 1.00 Uhr nachts festgesetzt.
Aber aus dem Schlafen wird nicht viel. Erst nisten sich einige ewig nicht in ihren Schlafsäcken ein. Es wird geschnarcht was das Zeug hält und mit den Schlafsäcken geraschelt. Und die Krönung ist eine Truppe, die schon gegen 23.00 Uhr wieder losmacht. Dabei wird sich lautstark unterhalten. Einige packen erst jetzt im Schein der Stirnlampe ihre Rucksäcke und einer bastelt eine geschlagene halbe Stunde mit Werkzeug an seinem Equipment. Gegen 24.00 Uhr startet die 2. Truppe und im Prinzip kann man nun das Schlafen vergessen.
Höhenmeter : 1385m , Gehzeit : 6:30 h
Um 1.00 Uhr ist die Nacht endgültig zu Ende. Wir haben nach dem Auszug der Radaubrüder noch 1 Stunde duseln können, dann machen auch wir uns aus dem Shelter. Es ist eine nicht allzu kalte und völlig sternenklare Nacht. Der Plejadenstrom beschert uns unheimlich viele und teilweise sehr große und lichtintensive Sternschnuppen. Innerhalb von nur kurzer Zeit zähle ich so 15-20 Stück, und die geheimen Wünsche werden knapp. Nach einem kurzen Frühstück aus einigen Stücken Schokolade und einem Schluck aus der Trinkflasche brechen wir auf.
Wir legen das Gerödel noch am Shelter an, da ca. 50m hinter dem Camp Muir die erste richtig große Gletscherspalte liegt. Im Schein unserer Stirnlampen machen wir uns in der gut erkennbaren Spur an den Aufstieg. Den Weg können wir aber auch sonst nicht verfehlen. Ca. eine 3/4 Stunde vor uns ist der lange Troß einer Guided Tour mit ca. 30 "Touristen" und 7 Bergführern gestartet. Zunächst markiert sich dieser Troß als ellenlange Glühwürmchenkette in der Dunkelheit.
Zunächst geht es über einen kurzen Gletscher und dann rechts steil durch das Cadaver Gap - eine zu überquerende Felsenrippe, die von Gibraltar Rock herunterzieht und die Cathedral Rocks bildet. Dann ist man auf dem Ingraham Glacier, der hier sehr flach ist. Die Stelle heißt auch Ingraham Flats und wird als weitere Stelle für Zelthochlager genutzt. Kurz nach dem Passieren der Lagerstelle haben wir die Leute mit den Mountain Guides eingeholt und von nun an geht es nur noch im Stop-'n-Go vorwärts. Zwei Versuche von Joyce, die sehr langsamen Seilschaften zu überholen, scheitern an engen Stellen zwischen großen Spalten. Die Bergführer denken auch gar nicht daran, ihre Leute mal zum Überholen lassen aus der Spur zu nehmen. Wir ergeben uns in unser Schicksal und zuckeln von nun an bis ca. 300 Meter unterhalb des Gipfels hinter der Guided Tour hinterher, was uns die Möglichkeit zu sehr interessanten Detailstudien gibt. Die Leute werden mit lauten Rufen von den Mountain Guides angefeuert und motiviert. Ständig bekommen sie erklärt, wie toll sie doch sind, daß sie es bis hierher schon geschafft haben. Die Guides machen auf mich ein wenig den Eindruck von Chear Leader Girls beim American Football. Auch bestehen die Guides auf einer ausgefallenen Atemtechnik. Die ganze Kolonne der Guided Tour faucht wie eine verendende Dampflok, da von den Guides ein sehr betontes Ausatmen gefordert wird. Offenbar steigen diese ganzen Leute ohne die Spur von Akklimatisierung von Sealevel auf einen 4300-er.
Gegen 4.00 Uhr zeigen sich am Horizont die ersten Anzeichen des bevorstehenden Sonnenaufgangs. Der Horizont färbt sich glutrot. Bis zum Sonnenaufgang kurz vor 6.00 Uhr ist es aber noch eine Weile hin, und bis dahin wird es auch noch beständig kälter. Die aufgehende Sonne verzaubert dann den Gletscher und überzieht alles, was bereits unter uns liegt, mit einem rötlichen Schimmer. Mit der Dämmerung bekommt man auch einen Eindruck von der Umgebung, in der man sich bewegt. Wir haben den Ingraham Glacier traversiert und sind auf einer weiteren Felsenrippe - dem Disappointment Cleaver - weiter nach oben gestiegen. Die Rippe ist nur unten schneefrei und besteht hier aus Gesteinsschutt. Weiter oben ist die Rippe wieder verschneit und läßt sich deutlich besser gehen. Bei weniger Schnee ist dieser Abschnitt - worauf der Name hindeutet - anscheinend übler zu gehen. Am oberen Ende des Cleavers nimmt uns wieder der Gletscher auf und an riesigen Spalten vorbei geht es in großen Serpentinen in einer tief getretenen Spur aufwärts. Selbst wenn die Guided Tour mit ihren 35 Leuten nicht dabei wäre, könnte man den Weg hier nur bei totalem White Out verfehlen.
Die Leute von der Guided Tour schnaufen immer noch wie die Dampfmaschinen. Wir fünf merken von der Höhe eigentlich nicht viel. Erstens empfinden wir das Tempo hinter dem Guided Troß als ziemlich gemächlich und frieren eher ab und zu, andererseits scheinen sich unsere zurückliegenden Bergtouren auf über 3000m auszuzahlen. Wir sind gut an die Höhe gewöhnt und haben keine Probleme.
Ca. 300 Höhenmeter unter dem Gipfel wird der Gletscher flacher, weist auch kaum noch Spalten auf. Wir ergreifen unsere Chance und überholen alle 5-6 Seilschaften der Guided Tour innerhalb kürzester Zeit. So sind wir die 3. oder 4. Seilschaft am Gipfel. Dieser besteht aus einem mit Schnee gefüllten Ringkrater, dessen höchste Stelle auf der gegenüberliegenden Seite ist. Wir durchqueren unangeseilt den Krater und klettern noch die 30m hinauf. Herrlicher Rundblick vom Gipfel. Das Wetter hat gehalten. Lediglich Seattle ist von hier oben nicht zu sehen - der Pazifik hat das Ufer in dunstige Wolken gehüllt. Der Rest des Horizonts ist klar und gestattet eine extreme Fernsicht. Von den Vulkanen des "Ring of Fire" können wir den Glacier Peak, den Mt. Hood, Mt. Adams und den Mt. St. Helens sehr gut erkennen. Im Nordosten sehen wir die Bergkette der Northern Cascades mit ihren schneebedeckten Berggipfeln. Beim Rückweg vom Gipfel entdecken wir auch noch das tiefgefrorene Gipfelbuch und tragen uns ein. Dann wird erstmal ordentlich gefrühstückt. Für die 1435 Höhenmeter von Camp Muir herauf haben wir so ca. 6.30 h gebraucht.
Nach einer halben Stunde Rast beginnen wir den Abstieg. Während des Abstiegs holen wir das Fotografieren nach, das beim Aufstieg wegen der Dunkelheit zu kurz gekommen ist. So ist der Abstieg im oberen Teil noch recht abwechslungsreich, zieht sich aber dann doch ganz schön in die Länge. Auch wird der Schnee immer weicher. Die Sonne hat gegen Mittag den Gletscher schon 20cm tief aufgeweicht. Gegen 13.30 Uhr sind wir wieder in Camp Muir am Shelter. Wir wollen eigentlich keine zweite Nacht im Shelter verbringen, aber im Moment sind alle erstmal recht geschafft vom Abstieg. Wir legen uns für ca. 1h aufs Ohr und fassen dann den Beschluß zum weiteren Abstieg nach Paradise. Über Felsen wären die weiteren 1385m Abstieg kaum möglich, aber da fast 800 Höhenmeter im Schnee abgerutscht werden können, ist der Abstieg zu verkraften. Wir laufen gegen 15.45 Uhr am Camp Muir los und sind gegen 18.00 Uhr am Parkplatz. Die letzten 600 Höhenmeter im Fels gehen aber wegen den schweren Rucksäcken anerkanntermaßen stark in die Knie und Hüftgelenke. Annegret checkt uns bei den Mountain Rangern aus, und wir nutzen auch gleich noch die Möglichkeit, die Duschen im Paradise Visitor Center in Anspruch zu nehmen. Gegen 20.30 Uhr erreichen wir einen Campground am SO-Parkausgang in Ohannapecosh. Zelte aufbauen, es wird schnell noch gekocht und dann fallen alle "mausetot" ins Bett.
Höhenmeter : 1435m im Aufstieg, Gehzeit : 6.30 h
Abstieg : 2820m , Gehzeit : 9.00 h
Manchmal wundert man sich schon, wozu man so in der Lage ist. Mein Sportlehrer hätte sich das von mir nie träumen lassen.
Heute steht die Weiterfahrt zum Mt. St. Helens auf dem Programm, der in nur ca. 70-80 Meilen Entfernung im Süden des Mt. Rainier NP liegt. Über Packwood und Randle erreichen wir das Gebiet des Ausbruchs von 1980 schon am frühen Vormittag. Die Auswirkungen der damaligen gigantischen Vulkaneruption sind auch nach 17 Jahren noch deutlich zu sehen. Auf einem großen Areal um den Vulkan sind die Bäume vom Epizentrum weg umgelegt oder abgebrochen. Auf einem großen See, dem Spirit Lake., treibt jede Menge Treibholz von diesen Stämmen, die bei dem Ausbruch in den See geschleudert wurden. Eine Straße führt bis auf einen Aussichtspunkt in ziemlicher Nähe des Vulkans, Windy Ridge. Hier steht man auf aschebedeckten Hängen direkt dem großen Loch in der Nordost-Seite des Vulkans gegenüber, in dem sich der erst nach dem Ausbruch neu entstandene Lavadome ausmachen läßt, der sich in der Mitte des Kraters schon wieder nach oben schiebt. Ringsum verwüstetes Land - das Ganze Ausmaß der Katastrophe von damals wird von hier erfaßbar. Von hier aus sind auch Mt. Adams und Mt. Rainier nochmals in der Ferne sichtbar.
Wir beschließen, am Nachmittag noch weiterzufahren. Über Waldstraßen rund um den Mt. St. Helens erreichen wir das Tal des Columbia River im Süden des Vulkans. Der Fluß besteht hier fast nur aus aneinanderstoßenden Staustufen. Wir kommen an diesem Tag noch nach The Dallas und finden nach einigen Irrungen auch den State Park Campground am Highway 14. Es wird eine sehr windige und warme Nacht am Rand der Prärie.
Wir sind nun wieder "on the road again". Nächstes Ziel ist der Grand Teton NP in den Rocky Mountains, und von dort trennen uns wieder über 1000 Meilen mit wenigen Attraktionen. Es sind also ca. 2 Tage mit viel Fahrerei zu bewältigen. Zunächst führt uns unser Weg immer am Columbia River entlang, dann durch Prärie mit runden, sonnenverbrannten Grashügeln und viel Landwirtschaft ringsum. Noch weiter östlich nimmt das Land Züge von Halbwüste an und wird sehr trocken. Hinter Boise zweigen wir auf den Highway 21 Richtung der Sawtooth National Recreation Area ab und finden in dieser trockenen Landschaft wider Erwarten einen Campground mit grüner Wiese und einem von einer heißen Quelle gespeisten Swimmingpool. In Idaho City findet sich auch eine Gelegenheit zum Wäschewaschen.
Weiterfahrt durch die Sawtooth NRA - ein Gebirge an der Schwelle zwischen Mittel- und Hochgebirge. Kurzer Halt und baden im Red Fish Lake. Dann Weiterfahrt über eine schöne Hochebene und Pässe Richtung Craters of the Moon NP. Die Sawtooth Mountains machen ihrem Namen Ehre und grüßen als schneebezuckerte Kette am Horizont.
Gegen Mittag sind wir am Craters of the Moon NP, einem NP mit eigenartigen Lavaergüssen auf einer Fläche von 83 Quadratmeilen, kleineren Vulkankegeln und begehbaren Lavahöhlen (Taschenlampe nicht vergessen !). Sehr zähflüssige Lava hat sich hier oberflächlich ausgebreitet und knoten- und zopfartige Gebilde geschaffen. Im nächsten Ort finden wir mitten in dieser Lavaeinöde einen Campground mit gutem Standard und grüner Wiese zum Zelten.
Heute wollen wir auf unserer Fahrt den Grand Teton NP erreichen. Doch zunächst besichtigen wir noch den EBR-1, der am Highwayrand als Museum steht. Der EBR-1 ist der weltweit erste Atomreaktor, der mehr Strom produzierte als er selbst für seinen Betrieb verbrauchte. In dem historischen Versuch wurden 3 große Glühlampen mit Atomstrom betrieben und später dann ein Elektromotor. Heute ist der Reaktor entkontaminiert und als Museum zugänglich. Auf dem Parkplatz 2 Rudimente eines Forschungsprojektes, das zum Ziel hatte, mit atombetriebenen Gasturbinen Flugzeuge anzutreiben (den Atomkraftgegnern zur Beruhigung : das Projekt wurde nach dem Präsidentschaftsantritt von J.F. Kennedy gestoppt). Zwei der Versuchsgasturbinen (luftgekühlte Atomreaktoren) stehen auf dem Parkplatz vor dem Museum. Vom Highway aus sind die Laboratorien von INEL und Argonne Laboratories zu sehen. Alles mitten in der Wüste und gut abgeschirmt.
Kurzer Stop in Idaho Falls (Einkaufen) und gegen Nachmittag sind wir am südlichen Parkeingang vom Grand Teton NP. Natürlich ist wieder Samstag und gegen 17.00 Uhr müssen wir schon wieder bangen, im NP noch einen Campground zu bekommen. Aber in Colter Bay im Norden kommen wir trotz Wochenende unter.
Für heute haben wir uns nur eine kleine Wanderung zum Kennenlernen der Gegend vorgenommen und so wandern wir den Granite Canyon talaufwärts (Joyce meinte, da gäbe es irgendwelche Kletterfelsen. Er stellt aber dann später fest, daß die in einem anderen Canyon stehen.) Die Bezeichnung Canyon ist für den Granite Canyon auch etwas übertrieben, falls man es nicht mit "Tal" übersetzt. Insgesamt recht unlohnende Wanderung, aber dafür auch nicht so anstrengend.
Höhenmeter : 550m , Gehzeit : 6:30 h
Die Entscheidung über die nächste größere Tour ist uns nicht ganz leicht gefallen. Natürlich haben wir mit einer Besteigung des Grand Teton selbst (4197m) geliebäugelt. Aber es sprechen mehrere Gründe dagegen. Wir haben nicht mehr so viele Tage Zeit, und die Tour ist mindestens ein 3-Tage-Unternehmen. Außerdem hat unser Elan nach den gelungenen Besteigungen von Mt. Athabasca und Mt. Rainier etwas nachgelassen. Und zum Dritten gibt es am Grand Teton im oberen Abschnitt Kletterstellen der Schwierigkeit III.
So steht als zweitbeste Wahl und wahrscheinlich lohnendste Tagestour in den Grand Tetons eine Tour über die Paintbrush Divide (3265m) an. Einziges Manko hier - die Tour ist mit 20 Meilen / ca. 32 Kilometern als Tagestour extrem weit. Aber die Alternative besteht darin, die Ausrüstung zur Übernachtung (Zelt, Schlafsack, Isomatte, Kochzeug,...) über 1000 Höhenmeter über die Divide zu tragen. Wir entscheiden uns für die Variante als flotte Tagestour mit minimalem Gepäck und setzen das Wecken auf 6.15 Uhr fest. Die Tour startet vom Trailhead an der Jenny Lake Lodge und zieht am See entlang in den Paintbrush Canyon hinauf. Der Paintbrush Canyon ist ein typisches von Gletschern in mehreren Stufen geschaffenes Tal. Der Aufstieg geht erst durch Wald, dann öffnet sich der Blick auf die Ebene unterhalb der Grand Tetons mit ihren vielen Seen und im oberen Teil wird das Tal alpin. Die letzten 200m bis zur Divide werden von 3 recht steilen Schneefeldern gebildet. Auf Grund der Entfernung in der Horizontalen benötigen wir für den Aufstieg bis in die 3265m hohe Paintbrush Divide ca. 6 Stunden. Von oben bei bestem Wetter gute Aussicht aufs Vorland der Grand Tetons und auf die höchsten Gipfel des Nationalparks.
Im Abstieg gehts zunächst zum Lake Solitude, und dann beginnt ein schier endloser Abstieg durch den Cascade Canyon. Landschaftlich nie langweilig und sehr schön, aber 1200 Höhenmeter in Kombination mit 32 km Entfernung fordern uns ziemlich. Beim Abstieg durch den Canyon haben wir dann noch unser aufregendstes Tiererlebnis dieses Urlaubs, als uns plötzlich in ca. 7m Entfernung ein Schwarzbär auf dem Trail gegenübersteht. Er ist aber wegen der plötzlichen Begegnung mindestens genauso verblüfft wie wir und trollt sich nach einigen Schrecksekunden in den Wald. Fotografiert hat in dem Moment natürlich niemand. Auf dem weiteren Weg hat man schöne Aussicht auf die Kette der Grand Tetons von Norden her. Der Abstieg durch den Canyon zieht sich dann aber noch schier endlos dahin. Gegen 21.00 Uhr sind wir wieder auf dem Campground in Colter Bay und ich benötige erstmal eine kalte Cola, ein Bier und eine Dusche um die Lebensgeister wiederzubeleben.
Höhenmeter : 1280m , Gehzeit : 11:15 h
Mit dieser Tour ist unser Wander- und Bergprogramm des Urlaubs fast abgeschlossen. Von nun an widmen wir uns noch den touristischen Attraktionen des Yellowstone NP, der unser nächstes Ziel ist und im Norden direkt an den Grand Teton NP angrenzt. Wir machen gleich in Grant Village Station (südlicher Parkeingang), wo wir Platz auf einem Campground bekommen. Unser Zeltplatz liegt genau an der Scheidelinie zwischen unversehrtem Wald und einem Waldbrandgebiet (Yellowstone ist 1988 sehr stark von Waldbränden betroffen gewesen. Die Spuren sind überall sichtbar.) Von hier aus starten wir zur Besichtigung der Geysire. Allen voran natürlich der Bekannteste von ihnen - der Old Faithful. Dieser bricht recht pünktlich alle 45 Minuten einmal aus, und so sehen wir während unseres Aufenthalts im Upper Geysire Basin 3 Ausbrüche von ihm aus unterschiedlichen Perspektiven. Andere schöne Geysire sind der Castle Geysire und der Sawmill Geysire. Am späten Nachmittag statten wir noch dem Middle Geysire Basin einen Besuch ab. Yellowstone bietet eine sehr dichte und vielfältige Konzentration dieser geothermischen Attraktionen.
Wir verlassen Yellowstone an diesem Tag, haben jedoch noch den ganzen Tag Zeit uns hier etwas anzusehen. Zunächst Fountain Paint Pot im Lower Geysire Basin. Dann fahren wir über die Orte Madison und Norris nach Canyon Village, um uns den Yellowstone Canyon mit den 2 Yellowstone Falls anzusehen. Diesmal ist das Wort Canyon auch wirklich keine Übertreibung der Amerikaner. Der Einschnitt des Yellowstone River ist sehr tief und das Gestein an den Hängen des Tales von gelb über ocker bis rötlich/bräunlich sehr bunt gefärbt. Den Talschluß bildet der 95m hohe Lower Yellowstone Fall, der viel Wasser führt und durch die Gewalt, mit der es zu Tal stürzt, beeindruckt. Der Upper Yellowstone Fall liegt hinter einer Flußbiegung und ist weniger eindrucksvoll. Am späten Nachmittag sind wir noch an den Sinterterrassen von Mammoth Hotsprings. Die von heißen Quellen gespeisten Terrassen bieten durch die verschiedenen Algen einen farbenprächtigen Eindruck. Allerdings setzt dort, wo der Fluß der heißen Quellen zum Erliegen kommt, schnell Verwitterung ein. Dann verlassen wir den Park in nördlicher Richtung und finden nach einem trostlosen Primitiv-Campground ohne Wasser nach ca. 20-30 weiteren Meilen einen sehr schönen RV-Park (Yellowstone Edge). Mit der nördlichen NP-Grenze sind wir übrigens in Montana - und das bedeutet seit diesem Jahr : kein Geschwindigkeitslimit !
Es wird Zeit, daß wir nach Calgary zurück kommen, und so ist dieser Tag der Fahrerei gewidmet. Wir legen über 600km zurück vom Yellowstone NP bis zum Glacier NP an der Grenze zu Canada. Trotz Aufhebung des Geschwindigkeitslimits lohnt es übrigens nicht, schneller als ca. 140 km/h zu fahren, da der Ausbau der Straßen selten mehr hergibt. Gegen Abend wird es dann nochmal spannend. Im Glacier NP bekommen wir in Avalanche Creek einen der letzten Campgrounds zwischen Klo und bärensicherer Mülltonne.
Wir fahren die "Going to the Sun Road" durch den Glacier NP. Der Glacier NP kann uns nach diesem Urlaub jedoch nicht mehr zur ganz großen Begeisterung verlocken. Vielleicht muß man ihn zu Beginn einer solchen Tour besuchen. Wir sind ja auch nur auf der Durchreise. Aber trotzdem ganz schöne Bergstraße quer durchs Bergmassiv. Nur Gletscher sucht man hier weitestgehend vergeblich. Vielleicht gibt es im Backcountry noch welche. Hinter dem Glacier NP kommt man in flaches Prärieland und ein mehrspuriger Highway bringt uns zügig nach Calgary. Übernachtung auf einem Campground mittleren Niveaus am Highway 1 im Osten der Stadt.
Früh packen wir die Rucksäcke flugzeugfertig und fahren dann zum Stadtbummel und abschließendem Shopping nach Downtown Calgary. Wir haben den ganzen Tag für die Stadt Zeit, da unser Flieger erst 23.30 Uhr abfliegt. Nochmal Besuch bei Mountain Equipment Coop., Bummeln, Fotografieren, abends noch gut Essen gehen. Dann geben wir die Autos bei Alamo ab und fahren zum Flughafen raus. Vor dem Start gibt es dann Probleme mit der Air Transat-Maschine, die schon mit Verspätung aus Vancouver kommt. Wir nehmen 2h Verspätung auf, so daß unser Anschluß in Frankfurt/Main zu vergessen ist. Der Flug selbst verläuft dann ohne Probleme. Die Verspätung kostet uns im Folgenden aber eine Nacht auf der Deutschen Bahn, da die Zugverbindungen am Sonntag abend nach Chemnitz dürftig sind.
Eigentlich sollten wir 0.30 Uhr in Chemnitz sein, aber daraus wird dann 6.30 Uhr in der Früh. Für die meisten von uns ist also "Härte" angesagt : kurz nach Hause, Duschen, Frühstücken und auf Arbeit gehen. So kann man die beste Erholung eines Urlaubs im Keim ersticken ;-)) . Der deutsche Alltag hat uns wieder.
Mit unserer Tourplanung lagen wir recht gut. In den 4 Wochen sind wir insgesamt 5524,8 km gefahren (bei 200 Freikilometern pro Tag waren 5400 km frei, der Rest kostete uns pro Fahrzeug nochmals ca. 120,- CAD). Das vorher definierte Tourprogramm ist Dank des sehr guten Wetters fast vollständig aufgegangen, ohne dabei den Charakter von Urlaub durch das unbedingte Einhaltenmüssen von Terminen zu verlieren. Anzumerken wäre in diesem Zusammenhang, daß dieser Sommer in einer Radiomeldung als der wärmste Sommer in Canada seit 1991 bezeichnet wurde.
Highlights waren sicherlich unsere Bergbesteigungen und Touren bei ausnahmslos traumhaftem Wetter : Mt. Richardson, Eiffel Peak, Mt. Athabasca, Mt. Rainier und die Tour über die Paintbrush Divide im Grand Teton NP. Insgesamt haben sich die von uns im Aufstieg gestiegenen Höhenmeter in diesem Urlaub auf 10230m summiert.
Anzumerken wäre auch noch, daß die Begegnung mit dem Schwarzbär natürlich nicht unsere einzige Tierbegegnung war. Außer ihm haben wir auch Wapiti-Hirsche, Bighornschafe, Bergziegen, alle möglichen Arten von Squirrels/Hörnchen und Murmeltiere gesehen. Der Anblick eines Elches oder eines Bisons war uns leider nicht vergönnt. Wie wir von Freunden erfahren haben, ist die Wahrscheinlichkeit, dieses Großwild zu sehen, zu einer früheren Jahreszeit deutlich größer, da die Tiere sich dann in den tiefergelegeneren Tälern in der Nähe der Straßen aufhalten und dann sogar zur Plage für den Autofahrer (z.B. in Yellowstone) werden können.
Story by Th. Frank und Kerstin Z.;